Es dürfte die wohl wichtigste Entscheidung in Kamala Harris’ Präsidentschaftswahlkampf werden: Wen nimmt sie als potenziellen Vizepräsidenten mit auf das Ticket ihrer Partei ? Die Demokratin will und muss sich rasch festlegen, die Zeit drängt. Schon am Dienstag stehen die ersten Termine als Duo an. Geplant ist in dieser Woche ein Blitztrip durch die sieben am meisten umkämpften US-Bundesstaaten. Vor Bekanntgabe der Personalie hat Harris die aussichtsreichsten Anwärter noch einmal persönlich getroffen.
Wie unter anderem die »New York Times« meldet, lud die Demokratin am Sonntag Mark Kelly, Tim Walz und Josh Shapiro nacheinander in ihre Residenz im Naval Observatory in Washington. Letzte Gespräche sollen bestimmen, wer am besten in die Rolle passt.
Laut »New York Times« gibt dabei nicht allein die gemeinsame politische Orientierung den Ausschlag. Vielmehr geht es laut der Zeitung auch um die Frage, ob eine jahrelange Zusammenarbeit auf persönlicher Ebene funktionieren würde. Präsident und Vize arbeiten (im Idealfall) äußerst eng zusammen. Auf Harris und die Nummer zwei kämen also viele gemeinsame Stunden zu – da sollte die Chemie besser stimmen.
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Laut ihren Mitarbeitern legt Harris extrem viel Wert auf eine funktionierende zwischenmenschliche Verbindung. Es wird daher erwartet, dass die persönlichen Gespräche vor der Entscheidung ein erhebliches Gewicht bekommen.
Zur Seite steht ihr ein Team um Eric Holder, ehemaliger US-Justizminister unter Barack Obama. Mit seiner Anwaltskanzlei hat Holder die möglichen Anwärter durchleuchtet und Harris über deren Vor- und Nachteile informiert. Dieser Prozess ist extrem wichtig. Das politische Gegenlager wird seinerseits in der Vergangenheit des Vizes nachforschen und mögliche Makel öffentlich breittreten.
Vize als massives Problem der Republikaner
Wie dies aussehen kann, zeigt sich derzeit bei J.D. Vance. Dem republikanischen Vizekandidaten von Donald Trump wird eine problematische Aussage nach der anderen vorgehalten – und Vance dadurch immer mehr zur Belastung für die Kampagne.
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Die Auswahl eines sogenannten Running Mates im US-Präsidentschaftswahlkampf ist üblicherweise ein komplizierter und aufwendiger Prozess. Für die Demokraten muss er nun im Eiltempo ablaufen. Denn Harris rückte durch den Ausstieg von US-Präsident Joe Biden aus dem Präsidentschaftsrennen extrem kurzfristig als Kandidatin nach.
Harris’ Wahlkampfteam hat für die kommende Woche bereits eine Wahlkampftour mit dem neuen Vize durch die sieben am meisten umkämpften Bundesstaaten angekündigt: Pennsylvania, Wisconsin, Michigan, North Carolina, Georgia, Arizona und Nevada. Anders als in Staaten, die traditionell stark demokratisch oder republikanisch geprägt sind, gilt es in den sogenannten Swing States als unsicher, ob der Kandidat der Republikaner oder der Demokraten siegen wird. Daher sind diese Staaten wahlentscheidend.
Aus diesem Grund will Harris diese sieben Bundesstaaten mit ihrem Vize noch vor dem Parteitag der Demokraten vom 19. bis 22. August in Chicago besuchen. Die erste Wahlkampfkundgebung des Duos ist für Dienstagabend – nach deutscher Zeit in der Nacht zum Mittwoch – in Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania geplant. Spätestens bis Dienstag muss Harris ihren Vize also verkünden.
Diese Demokraten gelten als aussichtsreichste Anwärter:
Josh Shapiro: Der 51-Jährige ist seit 2023 Gouverneur des Swing States Pennsylvania. Davor war er Generalstaatsanwalt in dem Bundesstaat. Shapiro ist relativ neu auf der nationalen politischen Bühne. Shapiro gilt als eher moderat und ist sehr populär. Er wird schon seit Längerem für höhere Ämter gehandelt.
Mark Kelly: Der 60-Jährige ist ein ehemaliger Astronaut und holte bereits zwei Mal den Senatssitz im Swing State Arizona – ein riesiger Erfolg für die Demokraten. Kelly ist US-Amerikanern auch deshalb ein Begriff, weil er der Ehemann der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords ist. Sie hat sich nach einem Attentat 2011 mühsam wieder ins Leben zurückgekämpft und zählt zu den lautesten Kämpferinnen für strengere Waffengesetze.
Tim Walz: Seit 2019 ist der heute 60-jährige Gouverneur des Bundesstaats Minnesota und saß vorher viele Jahre als Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Vor seiner politischen Laufbahn war er Lehrer. Der zweifache Vater hat kein besonders starkes nationales Profil, ist aber bekannt für eine bodenständige und direkte Art, politische Botschaften zu transportieren.
Nur noch als Außenseiter im Rennen sind drei weitere Demokraten:
Pete Buttigieg: Der 42-Jährige hatte 2020 als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten für Furore gesorgt. Heute ist er Verkehrsminister in Bidens Kabinett und damit der erste offen schwule Bundesminister der USA. Er konnte in den vergangenen Jahren im ganzen Land große Summen an Infrastrukturinvestitionen verteilen. Buttigieg spricht mehrere Sprachen, ist schlagfertig und gilt seit Längerem als großer Hoffnungsträger der Partei.
Andy Beshear: Der 46-Jährige ist Gouverneur des Bundesstaats Kentucky. In dem Bundesstaat wird bei der Präsidentschaftswahl in der Regel für den republikanischen Kandidaten gestimmt. Beshear wird eine überparteiliche Anziehungskraft nachgesagt. Bevor er Gouverneur wurde, war er Generalstaatsanwalt des Bundesstaats. Auch Beshears Vater war Gouverneur von Kentucky.
J.B. Pritzker: Der 59-Jährige ist Gouverneur von Illinois – ein Bundesstaat, der fest in der Hand der Demokraten ist. Der Milliardär stammt aus einer reichen Unternehmerfamilie. Der Jurist hat in Tech-Start-ups investiert und gilt auch in der Partei als bestens vernetzt. Allerdings gilt er auf nationaler Ebene nicht als besonders bekannt.